Ausschnitt älterer Schulranzen in Blau und Orange
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Erinnerungen werden wach


Grün beruhigt, Rot aktiviert: Jede Farbe hat ihre eigene Wirkung. Welche Bedeutung sie für einen Menschen hat, ist jedoch auch stark mit persönlichen Erlebnissen und Erinnerungen verknüpft.

Sehen wir eine rote Wand, denken wir vielleicht an unsere Badehose aus dem ersten Urlaub an der Nordsee. Eine sehr persönliche Verknüpfung. Warmes Rot, Orange und Gelb erinnern wahrscheinlich viele an die 1960er Jahre. Und im Straßenverkehr hat die Farbe Rot sogar für alle Menschen weltweit die gleiche Bedeutung. Sie ist also gesellschaftlich verankert. Wie eine Farbe auf einen Menschen wirkt, ist somit nicht nur von der Farbe und ihrer allgemeinen Wirkung abhängig, sondern auch maßgeblich mit früheren Erfahrungen verknüpft und durch kulturelle Hintergründe geprägt.



Farben und Farbstoffe gibt es schon ewig. Wie sie hergestellt werden, hat sich im Laufe der Jahrhunderte jedoch stark verändert.

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Persönliche Farberinnerungen

Die Erinnerung an unser erstes Fahrrad, den Lieblingspullover oder den Schulranzen kann stark mit der Farbe des Gegenstands verknüpft sein. Warum ist das so? Vor allem Erlebnisse und Erfahrungen, die mit starken Gefühlen einhergehen, finden den Weg in unser Gedächtnis. Und zu diesen Erinnerungen gehören alle Sinneseindrücke. Dazu zählen eben die mit dem Erlebnis verbundenen Farben, aber zum Beispiel auch Materialien und Gerüche. All diese einzelnen Sinneswahrnehmungen sind wie kleine Bausteine, die mit einander verknüpft sind und im Gesamten die Erinnerung ergeben. Begegnen wir einem dieser Bausteine, kann die gesamte Erinnerung wachgerufen werden.

Wie der Hauch eines Parfums, der uns von einer Passantin in der Innenstadt herüberweht und uns sofort an unsere Lieblingstante denken lässt; oder ein Stoff, der sich anfühlt wie die Decke, in die wir uns als Kind gekuschelt haben, wenn wir krank waren. Und mit dieser Erinnerung kommen meist auch die Gefühle wieder zum Vorschein, die damit verknüpft sind. Ein strahlendes Blau an der Wand mit einer großblättrigen Pflanze davor versetzt uns dann wieder gedanklich nach Portugal, wo wir im vergangenen Sommer in der Hängematte lagen, durch die Bäume in den Himmel schauten und die Seele baumeln ließen. So prägen unsere Erlebnisse und Erfahrungen unsere individuelle Farbwahrnehmung.

Gelbe Legoköpfe
© Carson Arias / unsplash

Farben für jedes Jahrzehnt

Nicht nur Erinnerungen an Gegenstände oder Erlebnisse beeinflussen, wie wir Farben wahrnehmen, auch mit verschiedenen Jahrzehnten verbinden wir gewisse Farben. Sei es, weil wir in diesen Jahrzehnten selbst Erfahrungen gesammelt haben, oder über das, was wir durch Erzählungen und die Medien darüber wissen.

In den 1970er Jahren zählten die knalligen Lavalampen zu den beliebtesten Einrichtungsgegenständen.


Leuchtend bunte Zauberwürfel standen in den 1980er Jahren hoch im Kurs.


Ein Kultspielzeug aus den 1990er Jahren: Die Treppenläufer-Spirale – in etwas dezenteren Farben als in den Jahrzehnten zuvor.


In den 2000er Jahren kamen die knalligen Farben wieder, unter anderem in Form von bunten crocs-Schuhen.


Denkt man etwa an die siebziger Jahre, kommen einem wahrscheinlich die knalligen Farben der Lavalampen in den Sinn. Die Einrichtung und die Wandgestaltung waren geprägt von starken Farben wie Orange, Gelb, Braun oder Rot. Wilde Farbzusammenstellungen und Muster sind typisch für dieses Jahrzehnt. In den Achtzigern, als MTV sein Debüt feierte und Zauberwürfel hoch im Kurs standen, blieben die Farbtöne leuchtend. Knallige Farben für Möbel und Wände waren zu dieser Zeit angesagt. Geometrische Formen und reduzierte grafische Muster kombinierte man mit kräftigen Farbtönen. Die neunziger Jahre hingegen verknüpfen wir eher mit neutraleren, stimmungsvolleren Farben. Auch die Einrichtung wurde ruhiger: Helle, Möbel mit Metallelementen und neue Fußbodenbeläge aus Laminat oder PVC prägten das Bild. Aber auch warme Terrakottafliesen kamen zum Einsatz. An den Wänden durfte es weiterhin farbig bleiben. Blau, Gelb und auch Rot waren beliebt. In den 2000er Jahren kamen die knalligen Farben wieder, in denen etwa der damals neue iPod erhältlich war. Aber auch Pastellschattierungen der verschiedenen Grundfarben und der Nude-Look waren beliebt. Bei der Einrichtung sorgten Couchgarnituren mit breiten Sitzflächen und vielen Kissen für Gemütlichkeit. Sonst waren die Möbel eher geradlinig und kühl, in den Farben Weiß, Grau, Schwarz oder Beige. Auch bei den Wandfarben setzte man auf Zurückhaltung – oder probierte sich an der beliebten Schwammtechnik aus.


 
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Mit der Farbe Blau verbinden wir Meer und Luft.

Erinnerungen mit dem Alltag verknüpfen

Wäre es nicht schön, gewisse Erinnerungen immer wieder wachzurufen und so etwa regelmäßig an die Kindheit in den 1980er Jahren oder den letzten Sommerurlaub zu denken? Relativ unkompliziert geht das, indem man die entsprechenden Farben ins eigene Zuhause bringt. Eine ozeanblaue Wand im Wohnzimmer erinnert also vielleicht wirklich an den Sommerurlaub und weckt eventuell sogar Vorfreude auf die nächste Reise. Es muss aber nicht gleich ein neuer Anstrich sein. Das orange Sofa reicht vielleicht schon aus, um an den herbstlichen Blätterwald zu denken, durch den man als Kind mit den Großeltern spazieren gegangen ist. Eine Bildergalerie macht das Erinnern noch leichter. Beim Vorbeigehen kann man sich regelmäßig Momente mit den Liebsten ins Gedächtnis rufen.

Blick durch eine Zimmertür auf ein Regal mit Segelbooten vor einer blauen Wand.
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