© Lucas Boelter/Dinova GmbH & Co. KG

Auf der Suche nach Hagens bunten Seiten


Städte erkunden und dabei fantastische Street Art entdecken: Genau das ist die Idee unserer Serie über Mural-Touren, die uns diesmal ins Ruhrgebiet führt, genauer gesagt: nach Hagen. Los geht’s!

Hagen? Gar nicht schlecht, denken wir, als wir am Hauptbahnhof ankommen und die lichtdurchflutete Halle des alten Gebäudes mit dem riesigen Glasgemälde über dem Eingang bestaunen. Schon beim ersten Blick auf die Stadt wird uns dann aber klar, warum Hagen keinen vorderen Platz im Ranking der touristischen Hotspots in Deutschland belegt. Die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört, dann so gut es ging wieder aufgebaut und bietet heute einen eher tristen Anblick. Doch tatsächlich ist Hagen keine Schönheit, die sich einem sofort an den Hals wirft, sondern eher eine, die entdeckt werden will.

Wie gut das funktioniert, merken wir schon nach wenigen Metern. Neben idyllischen Parkanlagen entdecken wir liebevoll eingerichtete Cafés und Geschäfte. Wir passieren hübsche Jugendstilhäuser, die unversehrt geblieben sind, und alte Industriebauten wie die Elbershallen, wo früher Textilien gefärbt wurden und heute Kulturveranstaltungen stattfinden. Außerdem stolpern wir immer wieder über Street Art, darunter auch die zehn Murals, die im Sommer 2021 während des „Hagen Mural Projekts“ entstanden sind. Passend zu unserem Motto #LebeFarbe, haben wir uns einige davon angeschaut und zeigen euch, wie ihr die bunten Seiten von Hagen auf eurer eigenen Mural-Tour entdecken könnt.

So kommt ihr am besten von A nach B

Hagen ist zwar nicht sonderlich groß. Trotzdem müsst ihr rund drei Stunden allein für den Fußweg einplanen, wenn ihr euch alle zehn Murals anschauen wollt. Alternativ könnt ihr auch euer Fahrrad nehmen, einen E-Scooter mieten oder den gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr nutzen. Wo genau die Murals zu finden sind, zeigt euch die Übersichtskarte im Festivalguide des Hagen Mural Projekts.

© Denis Klatt/ Dinova GmbH & Co. KG
© CAN2/Dinova GmbH & Co. KG

Quietschbunte Hommage

Weil wir mit dem Zug angereist sind, starten wir unsere Tour gleich am Hauptbahnhof und nehmen den Bus nach Vorhalle. Der nördliche Stadtteil von Hagen zieht viele Kulturinteressierte an, die hier das archäologische Museum im Wasserschloss Werdringen besuchen. Wir haben ein anderes Ziel, steigen 15 Minuten später aus und erreichen nach kurzem Fußweg das erste Mural. Und was für eins! Das surrealistische Fassadenbild vom Dortmunder Sprayer Denis Klatt zeigt einen riesigen Vogel, der einen Zugwaggon in seinem Schnabel trägt und mit seiner Beute über einem Güterbahnhof schwebt. Unter ihm sind unzählige andere Züge aneinandergereiht, die im Abendlicht wie kleine Raupen aussehen.

Keine sechzig Meter weiter entdecken wir das nächstes Mural – eine Hommage an die in Hagen geborene Sängerin Nena und den Kultfilm „Manta Manta“. Im oberen Teil des quietschbunten Fassadenbilds vom international gefragten Graffiti-Künstler CAN2 fliegt ein Propellerflugzeug vor roten Luftballons und der gesprayten Textzeile: „99 Luftballons“. Unten sind die Rückseite eines Autos und verschiedene Varianten des Schriftzugs „Manta Manta“ zu sehen. Dazwischen in dicken, bunten Lettern: „Hagen“.

Dialog ohne Worte

Unsere nächste Station führt in den Stadtteil Altenhagen, wo wir zwischen einer Pizzeria und einem Discounter ein weiteres Highlight unserer Tour finden: eine Collage des Künstlerduos APHE NOAH. Das pastellfarbene Mural fängt eine Szene mit zwei Kindern ein. Das eine wendet sich dem blauen See vor ihm zu, auf dem Boote mit roten Segeln kreuzen, während das andere verträumt auf seinem Stuhl sitzen bleibt. Das imposante, rätselhafte Bild zieht auch andere Betrachter neben uns in seinem Bann, regt zum Nachdenken an und zeigt, welche starke Wirkung urbane Kunst entfalten kann, wenn sie – wie hier – zum Dialog auffordert und man feststellt, dass einem dazu erst mal die Worte fehlen.



Du suchst nach mehr Ideen für Mural-Touren? Dann schau dir unsere bunte Tour durch Frankfurt an!

© APHE NOAH/Dinova GmbH & Co. KG

Erinnerungen an die Glanzzeit des Ruhrpotts

Weiter geht’s, zurück in Richtung Mitte. Wir suchen das Mural mit dem Titel „The Weird“ von den beiden Künstlern Rookie und DXTR und werden in der Nähe des Finanzamts fündig. „The Weird“ widmet sich dem Thema Industrialisierung und zeigt Motive aus der Glanzzeit des Ruhrpotts. Auf den blau, rot, orange und gelb gehaltenen Einzelbildern sehen wir Stahlkocher, die mit glühendem Eisen hantieren, und eine Telefonistin, die Gespräche über Anschlussbuchsen vermittelt. Andere Ausschnitte zeigen verpixelte Bäumchen als Symbol für die beliebte Naturlandschaft im Umfeld der Stadt, eine Imbissbude und den Hagener Industriepionier Friedrich Harkort.

Inspiriert vom Bild mit der Imbissbude legen wir einen kleinen Zwischenstopp ein und essen etwas, bevor wir zum nächsten Hotspot aufbrechen. Unser Ziel ist eine Passage zu den Elbershallen, in der sich vier Arbeiten des Künstler-Teams WallAndSpace befinden. Die Mural-Serie zeigt Hände, die nach Wolken, Menschen und anderen Dingen greifen. Das Besondere daran ist der ungewöhnliche Materialmix. Während Landschaften und Objekte mit Farbe gemalt sind, bestehen die Hände aus geschichteten Holzlatten. Die Murals erhalten dadurch eine räumliche Struktur. Gleichzeitig verschwimmen die Grenzen zwischen Bild und Wirklichkeit.



Das „Hagen Mural Projekt“ startete nur wenige Wochen nach einer verheerenden Überschwemmung der Stadt. Für die Künstler war die Beteiligung deshalb auch ein Stück „Aufbauarbeit“.


 
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Das Mural „The Weird“ erinnert an die Glanzzeiten der Industrialisierung in Hagen.

Mural „The Weird“ von Rookie & DXTR


Das Künstler-Team WallAndSpace setzt in seinen Murals verschiedene Materialien ein.


Mural von Herr Choko


Das Mural von Lucas Boelter ist eine Hommage an die Basketballmannschaft „Phoenix Hagen“.


Finale in Wehringhausen

Auf die zwei letzten Murals freuen wir uns besonders. Sie befinden sich in Haspe und in Hagens Szeneviertel Wehringhausen, in dem es vor Bars, kleinen Läden und Galerien nur so wimmelt. Zugleich ist Wehringhausen für seine Street Art bekannt, die von lokalen und international bekannten Künstlern zelebriert wird. Wer will, kann allein hier einen ganzen Tag verbringen und sich fast 30 Murals anschauen, die in den letzten Jahren entstanden sind und zeigen, wie vielfältig und kreativ die lokale Kunstszene ist.

Wir nehmen den Weg in die Christian-Rohlfs-Straße, betreten einen Hof mit Garagen und stehen staunend vor einem Mural des Hagener Künstlers Martin Bender. Das Bild zeigt das Porträt einer Frau mit geschlossenen Augen. Auf ihrem Kopf sitzt ein Adler, der mit seinen Klauen einen Ölzweig festhält. Obwohl Bender mit sparsamen Strichen arbeitet, wirkt sein Mural fast wie eine fotografierte Momentaufnahme, deren starke Symbolik eine magische Wirkung entfaltet.

Auch wenn es uns schwerfällt, reißen wir uns los, um das letzte Mural auf unserer Tour zu finden. Schließlich landen wir in einer der weniger schönen Ecken von Haspe, wo zwischen tristen Wohnhäusern ein grellbuntes Wandbild heraussticht. Wie ein DJ aus den 80er Jahren mixt David Hufschmidt aka The Top Notch in seinem Mural eine Gitarre, Synthesizer und die Buchstaben „Karos“ mit den Farben Gelb, Rot und Lila.

© Martin Bender/Dinova GmbH & Co. KG
© David Hufschmidt aka The Top Notch/Dinova GmbH & Co. KG

TOP NOTCH - Hagen Mural Projekt, David Hufschmidt

David Hufschmidt aka The Top Notch über sein Mural für das „Hagen Mural Projekt“ 2021


Unser Fazit: Hagen? Hammer!

Wir lassen den Tag in Wehringhausen ausklingen, diskutieren darüber, welche Murals uns am besten gefallen haben, und sind uns einig, dass sich eine Mural-Tour durch Hagen auf jeden Fall lohnt. Wer ein Herz für Street Art hat und die auf- und anregenden Seiten einer vielfältigen Stadt entdecken will, die nur auf den ersten Blick eintönig erscheint, sollte sich eine Mural-Tour durch Hagen nicht entgehen lassen. Denn eins können wir euch versprechen: Ihr werdet riesig Spaß haben, viele Inspirationen mit nach Hause nehmen und noch mehr Lust als sonst haben, kreativ zu sein und eure Ideen umzusetzen.