Farbnamen: Geheimnisvolle Geschichten
Für heutige Menschen sind Farben das Normalste der Welt. Wenn wir eine Wand streichen oder etwas lackieren wollen, können wir problemlos zwischen unzähligen Farbtönen in allen denkbaren Nuancen wählen. Dass es einmal eine Zeit gab, in der Menschen keinen tiefblauen Himmel und kein sattgrünes Gras malen konnten, weil sie nichts weiter als getrockneten Schlamm, Kreide und Kohle zur Verfügung hatten, ist für uns kaum noch vorstellbar.
Aber es hilft uns zu verstehen, dass die Geschichte der Menschheit auch eine Geschichte der Sehnsucht nach Farben ist – und ihrer Erfindung. Im Laufe der Jahrhunderte stellten Tüftler, Alchemisten und Wissenschaftler aus Mineralien, Pflanzen oder Insekten unter Beigabe von Säuren, Kuhmist und anderen Geheimzutaten nie zuvor gesehene Farbpigmente her, die Künstler auf neue Ideen brachten und die zum Teil kostbarer als Gold waren. Unser kurzer Überblick zeigt, um welche Farben es sich dabei handelt und wie sie zu ihren Namen gekommen sind.
Ocker – die älteste Farbe der Welt
Wenn die ersten Künstler der Welt eine Höhlenwand bemalen wollten, mussten sie nicht lange nach Farbe suchen. In manchen Gegenden reichte schon ein kurzer Spaziergang, um das älteste von Menschen genutzte Pigment zu finden: Ocker. Das Erdmineral liefert je nach Zusammensetzung gelbe, rote und braune Farben. Sein Name stammt von „ōchrós“, dem griechischen Wort für blass oder blassgelb.
Um aus dem Mineral Farbe zu gewinnen, wurde es gesammelt, mit einem Stein zerrieben und mit Wasser vermischt. Ursprünglich hatte Ocker allerdings wenig Deck- und Leuchtkraft. Das änderte sich im Laufe der Zeit durch die Entwicklung von raffinierteren Verfahren, mit denen sich Unreinheiten im Material auswaschen ließen. Außerdem wurde entdeckt, dass Gelbocker seine Farbe verändert, sobald Hitze ins Spiel kommt. Bei mittlerer Temperatur wechselt die Farbe von Gelb zu Orange. Höhere Temperaturen erzeugen einen kräftigen Rotton. Auf diese Weise hergestellter Rotocker wird gebrannter Ocker oder gebrannte Siena genannt, um es vom natürlichen Rotocker zu unterscheiden, das als Terra di Siena rund um die italienische Stadt Siena zu finden ist.
Eine Farbe, viele Symbole ‒ hier zeigen wir, wie unterschiedlich Kulturen auf Farben reagieren.
Seit der Antike wird Safran als Färbemittel für Textilien verwendet. Im Mittelalter kam die Farbe unter dem Namen Persischgelb vor allem in der Buchmalerei als Ersatz für Blattgold zum Einsatz.
Safran – das Gelb der Kaiser und Mönche
Safran gilt nicht nur als Königin der Gewürze, sondern übte seit Beginn der Geschichtsschreibung auch eine besondere Anziehungskraft auf Adelige und andere Menschen aus, die sich zu Höherem berufen fühlten. Kleopatra soll sich mit Safran geschminkt haben, während der Philosophenkaiser Marc Aurel die angeblich aphrodisierenden Staubgefäße der Krokusblüte regelmäßig als Badezusatz verwendete. Auch in China genoss Safran Sonderstatus. Lange Zeit durften dort nur Kaiser und buddhistische Mönche safrangelb gefärbte Gewänder tragen. Dem einfachen Volk waren sie verboten. Und warum das alles? Vor allem, weil „zaʿfarān“, wie die persische Bezeichnung für Safran ursprünglich lautet, so selten ist. Für 100 Gramm der braunroten Fäden müssen 8000 Blüten gesammelt werden. Und noch heute legen Sternenköche für ein Kilogramm Safran in höchster Qualität bis zu 30.000 Euro auf den Tisch.
Seit der Antike wird Safran als Färbemittel verwendet. Im Mittelalter kam die Farbe unter dem Namen Persischgelb vor allem in der Buchmalerei als Ersatz für Blattgold zum Einsatz. Zur Herstellung des Pigments ließ man die Safranfäden über Nacht in Eiklar ziehen. Das Ergebnis war ein reines, kräftiges Gelb, das früher gerne mit Blau gemischt wurde, um beispielsweise naturgetreue Grasfarben zu erhalten. Leider verblasst Safrangelb rasch, weshalb die Grüntöne in mittelalterlichen Bildern und Büchern heute blau sind. Seit die Farbe günstig und lichtbeständig synthetisch hergestellt werden kann, hat Safran als Pigment ausgedient.
Einfach erklärt: Die Geschichte der Farben
Ultramarin – so teuer wie Gold
Blau gibt es in vielen Schattierungen und Nuancen von durchscheinend hell bis zu einem Dunkelblau, das sich kaum von Schwarz unterscheiden lässt. Einige Blaupigmente sind sogar richtig berühmt – zum Beispiel Ägyptisch Blau, die Farbe der Krone von Königin Nofretete, das im frühen 18. Jahrhundert zufällig entdeckte Preußischblau oder das himmelblaue Coelinblau. Doch sie alle sind nichts im Vergleich zum absoluten Star unter den Blautönen: Ultramarin.
Das Besondere an diesem Blaupigment ist, dass es ursprünglich nur aus dem seltenen Edelstein Lapislazuli extrahiert werden konnte. Die besten Sorten wurden vor vielen Jahrhunderten aus Afghanistan verschifft, also wie das lateinische Wort „Ultramarinus“ besagt: „von jenseits des Meeres“. Um mit Ultramarin malen zu können, mussten Künstler jedoch besonders tief in die Tasche greifen. Ein Gramm des nach einem alten Alchemistenrezept hergestellten Pigments kostete Renaissancemaler ein Gramm Gold. So ist es auch kein Wunder, dass Ultramarin äußerst sparsam eingesetzt und nur den wichtigsten Themen der damaligen Malerei vorhalten war, etwa der Darstellung des Gewands der Jungfrau Maria. Die Situation änderte sich erst, als die französische Regierung 1824 den Preis von 6000 Franc für die Erfindung eines synthetischen Ersatzes ausschrieb und das Geld vier Jahre später an den Chemiker Jean-Baptiste Guimet überreichen konnte, dem dieses Kunststück gelang.
Purpur – eine Schnecke für einen Tropfen Farbe
Bevor Purpur 1903 erstmals chemisch synthetisiert werden konnte, mussten für ein Gramm der rot-violetten Farbe fast 10.000 Purpurschnecken ihr Leben lassen. Vor allem in der Antike und im Mittelalter war die Nachfrage nach dem Farbstoff riesig, denn Purpur war gleichbedeutend mit Macht und Würde. Könige und Kaiser hüllten sich in purpurrote Gewänder, während etwa römische Senatoren nur Purpurstreifen tragen durften. Wer sich unerlaubt in Purpur hüllte, musste mit der Todesstrafe rechnen. Seit 1468 kleiden sich auch Kardinäle in Purpur – als Zeichen ihrer Papsttreue bis zum letzten Blutstropfen.
Um den Farbstoff zu gewinnen, begannen die Phönizier bereits 1600 Jahre v. Chr. mit dem systematischen Fang der namensgebenden Purpurschnecke. „Purpur“ geht auf das griechische Wort „Porphyra“ zurück, das sowohl zur Bezeichnung der Purpurschnecke wie auch für das Vulkangestein Porphyr verwendet wurde. Um ein Kilogramm Wolle zu färben, waren etwa 200 Gramm Purpurfarbstoff nötig, das aus einer Drüse in der Atemhöhle der Schnecke gewonnen wurde. Obwohl es längst industriellen Ersatz gibt, werden noch heute zeremonielle Gewänder für Gottesdienste auf traditionelle Weise mit Purpur gefärbt.
Indigo – die Pflanze der Blaufärber
Mit seiner über 5000 Jahre alten Geschichte gehört Indigo zu den ältesten Farbstoffen der Menschheit. Etwa seit dieser Zeit wird im südasiatischen Industal der Indigostrauch gezüchtet, dessen rosarote Blüten die Farbe liefern, mit denen teilweise bis heute unsere Jeans gefärbt werden. Bei der traditionellen Farbherstellung werden die Blüten in Wasser fermentiert, bis sich die Flüssigkeit grün färbt. Anschließend stampfen Arbeiter die Flüssigkeit, bis blauer Schaum entsteht und sich feste Partikel am Fassboden sammeln. Zum Schluss werden die Partikel in einem Kupferkessel zu einer Paste gekocht, zu Blöcken geformt und getrocknet.
Das Wort „Indigo“ stammt aus dem Spanischen und bedeutet „aus Indien kommend“. Zwar kam Indigo vereinzelt bereits im Altertum als „Blaues Gold“ über Syrien nach Europa, der regelmäßige Import von größeren Mengen begann jedoch erst im 16. Jahrhundert. Bis dahin erfolgte die Blaufärbung von Textilien in Europa mit den Blättern des Färberwaides, mit dem es infolge des deutlich farbintensiveren Indigos schnell bergab ging. Seit der synthetischen Herstellung in den 1880er Jahren kommt auch das natürliche Produkt nur noch vereinzelt zum Einsatz.
Karmin – das Rot aus echtem Blut?
Die Herstellung des roten Farbstoffs Karmin ist nichts für schwache Nerven. Denn für 100 Gramm vom rotesten Rot, das es in der Natur zu finden gibt, müssen gut 15.000 Cochenille-Schildläuse eingesammelt werden, die auf Feigenkakteen leben. Den Farbstoff liefert jedoch nicht das Blut der Schildlaus, sondern Karminsäure, die weibliche Läuse zur Abwehr ihrer Feinde produzieren.
Das Wort „Karmin“ kommt von „Krim-Dja“, dem Namen der Kermeslaus auf Sanskrit – und beruht auf einer Verwechslung. Denn tatsächlich handelt es sich bei der Cochenille um eine andere Laus, die nur in Südamerika lebt. Seit dem 19. Jahrhundert wird Karmin synthetisch hergestellt. Trotzdem findet echtes Karmin bis heute Verwendung in Lebensmitteln und Kosmetik.