Traumberuf: Malermeisterin
Von der Notlösung zur besten Entscheidung ihres Lebens: Als Jessica Jörges keinen passenden Studiengang findet, beginnt sie eine Ausbildung zur Malerin. Ein Glück! Denn inzwischen arbeitet sie in ihrem Traumberuf: als Malermeisterin im Familienbetrieb. Wir konnten die talentierte Handwerkerin für #LebeFarbe gewinnen und versorgen dich in den kommenden Monaten auf unseren Social-Media-Kanälen mit spannenden Farb-Challenges und Streichvideos, die jede Menge Inspiration und Tipps bereithalten. Neugierig? Dann folge uns auf Instagram oder Facebook und lies hier, was Jessica antreibt.
Liebe Jessica, wie bist du zur Malermeisterin geworden?
Unterbewusst gab es die Idee seit dem Kindergarten. Ich habe schon damals in alle Freundebücher eingetragen, dass ich Malerin werden will. Dass meine Eltern einen Malerbetrieb haben, hat mich natürlich auch geprägt. Meine Eltern haben mich als ich noch ein Baby für eine Weihnachtskarte des Betriebs einfach in einen Farbeimer gesetzt. Später in der Schule hieß es dann, mit guten Noten und dem Abitur geht man studieren. Und als es soweit war, habe ich überlegt Diplom-Kauffrau zu studieren, Innenarchitektur oder Gartenlandschaftsbau. BWL war als Notlösung auch in der Verlosung. Irgendwann habe ich mich aber gefragt, warum will ich eigentlich studieren? Kann ich nicht einfach hier eine Ausbildung machen?
Offensichtlich konntest du das …
Ja. Durch das Abi konnte ich das erste Lehrjahr überspringen. Ich habe schnell gemerkt, dass es sowohl in der Berufsschule als auch in der Praxis gut läuft, und dass ich mich auf unseren Baustellen gut einbringen kann. Die zwei Jahre Lehre waren ein Selbstläufer. Ich habe meine Gesellenprüfung als Innungsbeste abgeschlossen und danach an beruflichen Wettbewerben teilgenommen. Vom hessischen Landeswettbewerb ging es auf Bundesebene und dann bin ich 2018 Deutschlands beste Malerin geworden.
Und dieser Titel hat dich sogar ins Nationalteam gebracht!
Genau. So was Tolles gibt’s nicht nur bei den Malerinnen und Malern, sondern in ganz vielen Ausbildungsberufen. Ich habe sehr viel trainiert und alles wurde gekrönt von der Weltmeisterschaft in Russland, wo ich in der Einzelwertung als Fünfte unter Teilnehmenden aus 24 Nationen rausgegangen bin. Zwischen 2019 und 2020 habe ich dann meinen Meister gemacht und wachse als angestellte Malermeisterin gerade Stück für Stück in die Firmenführung rein.
„… und dann bin ich 2018 Deutschlands beste Malerin geworden.“ Jessica Jörges
Welche Herausforderungen hast du in deiner Karriere bisher gemeistert?
Auch wenn es nicht so sein sollte: Als Frau ins Handwerk einzusteigen ist herausfordernd. Man muss sich seinen Platz schon erarbeiten. Es gibt zwei Dinge, in denen du als Frau oft unterschätzt wirst: beim Tragen schwerer Gegenstände und in der Wahrnehmung als Handwerkerin. Manche Menschen sind verwirrt, wenn sie eine Frau in Arbeitskleidung sehen. Ob Kunden, andere Handwerker oder beim Materialeinkauf – man wird oft komisch angeschaut oder gefragt: ‚Ach, renovieren Sie gerade zuhause?‘ Nein, das ist mein Job.
Wie gehst du damit um?
Indem ich Taten sprechen lasse. Bei Kunden kam es schon vor, dass sie erst skeptisch waren und am Ende überrascht, weil sie noch nie eine so gute und saubere Arbeit bekommen haben. Dann ermutige ich sie, mich für zukünftige Projekte wieder zu kontaktieren. Und fachlich gesehen gibt es natürlich immer wieder Herausforderungen: neue Techniken, Materialien und Trends. Dabei kann ich mich zum Glück, trotz meiner Meisterrolle, zu hundert Prozent auf die Erfahrung langjähriger Kolleginnen und Kollegen verlassen.
Welche Möglichkeiten gibt es, um ein Haus oder eine Wohnung zu streichen und welche ist deine Lieblingstechnik?
Es gibt super viele Möglichkeiten zur Gestaltung. Man kann mit Farben und Strukturen arbeiten. Selbst mit gedeckten Farben lassen sich durch verschiedene Techniken und Haptik tolle Effekte erzielen. Mutigere können einzelne Wände farblich hervorheben oder Tapete an der Decke anbringen. Auch Kontraste zwischen Boden und Wänden oder farbige Möbel bringen Abwechslung rein. Ich persönlich mag Akzenttapeten und fugenlose Bäder sehr.
Welchen Trend in der Farbgestaltung findest du zurzeit besonders spannend und warum?
Bei Tapeten finde ich es sehr cool, dass wieder große Muster kommen. Im ersten Moment denkt man vielleicht an den wilden Stil der 70er-Jahre. Aber es kommt immer darauf an, stimmig zu kombinieren. Vor kurzem habe ich zum Beispiel ein Foto von einem Café gesehen, indem eine Urwaldtapete mit Tieren, Früchten und dunklen, aber dennoch bunten Farben mit dunklen Möbeln kombiniert wurde. Obwohl es auf den ersten Blick sprichwörtlich wild aussah, hat diese Kombi ein richtig schönes und modernes Ambiente geschaffen. So ein Stil passt natürlich nicht überall rein, aber zeigt, wie vielfältig die Möglichkeiten der Raumgestaltung sind.
An welche denkst du noch?
Es freut mich, dass dunkle, kräftige Farben wieder mehr in Wohnräumen gestrichen werden. Früher war man überzeugt, dunkle Farben erdrücken den Raum. Aber inzwischen hat sich unsere Denkweise, wie wir Räume gestalten und einrichten, verändert. Dunklen Farben können Gemütlichkeit und Ruhe in Räume bringen. Dazu kommt, dass viel mehr mit indirekter Beleuchtung gearbeitet wird als früher.
Welche Farben hast du bei dir zuhause gestrichen und warum?
Eine gewisse Farbigkeit haben wir schon vorgegeben, weil unser Boden teilweise aus blau-türkisfarben gemusterten Fließen besteht. Als Basis habe ich in allen Räumen deshalb eher schlichte Farben wie Beige gestrichen. Dazu habe ich viel mit Farbakzenten gearbeitet. In unserem Wohnzimmer haben wir zum Beispiel eine aufbereitete holzvertäfelte Bar von meiner Oma stehen. Ich plane sie in Dunkelgrün zu streichen und die Möbel und Deko in die Gestaltung einzufügen.
Streich-Tipps von der Malermeisterin:
- Boden schützen: Nicht am Malerflies sparen! Großzügig ausbreiten und den Boden vor Verschmutzungen schützen. Anschließend lässt sich das Flies wunderbar einlagern.
- Hochwertige Farbe besorgen: Bei Farbe gilt: Wer günstig kauft, streicht zweimal (mindestens). Hochwertige Farben decken besser und lassen sich schön verarbeiten.
- Ordentliches Werkzeug benutzen: Mit Pinseln, die Haare verlieren, und Rollen, die fusseln, arbeitet es sich nicht gut. Kaufe oder leihe dir im Freundeskreis ordentliches Streichwerkzeug aus, und wasche hinterher alles gut aus. Dann kannst du es auch wiederverwenden.
- Streich mit Teleskopstiel: für gleichmäßige, schöne Ergebnisse. Benutze auch eine Farbwanne oder einen Eimer mit Gitter, um überschüssige Farbe abzustreifen.
- Abdichten oder Gegenstreichen: Wenn man Farbe absetzen möchte, gibt es einen Trick. Und zwar zunächst Fläche, die farbig werden soll, abkleben. Dann mit einem kleinen Pinsel oder Make-up-Schwämmchen den Grundton, der auf den übrigen Wänden ist, gegen die Kante des Klebebands streichen, die zur farbigen Fläche zeigt. So unterläuft der Grundton bereits das Klebeband und man erhält nach dem Streichen und Abziehen des Klebebands die perfekte Kante.
Was ist für dich der Unterschied zwischen farbig und bunt?
Farbig ist für mich, wenn die Gestaltung in einer Farbwelt bleibt. Bunt wird es, wenn du vom gelben Sessel bis zur roten Wand viele auch konträre Farben miteinander kombinierst. Das kann cool sein, ist aber Geschmackssache. Ich persönlich mag es zuhause lieber harmonisch und strukturiert. Das ist ein Grund, warum ich es übrigens liebe in Hotels zu gehen, die experimentierfreudig gestaltet sind. Da kann ich mich inspirieren lassen, ohne selbst direkt etwas zu verändern.
Wie findet man ein Farbkonzept für die eigene Wohnung? Anna von Ketteler hat die Antwort darauf parat.
Was würdest du ausprobieren, wenn du zuhause durch ein Fingerschnippen renovieren könntest?
Oh, da würde ich viel ausprobieren! Am liebsten jeden Tag neue Tapeten und Farben, und ich würde verschiedene Spachteltechniken als Akzente testen.
Und wie zeigt sich für dich Kreativität im Job? Hast du bestimmte Projekte, auf die du besonders stolz bist?
Kreativität ist vor allem in der Beratungsphase gefragt, wenn ich Kundinnen und Kunden dabei unterstütze, sich für eine Gestaltung zu entscheiden. Malen und lackieren selbst haben dann mehr mit dem sorgfältigen und sauberen Ausführen zu tun. Besonders toll fand ich Projekte, die in eine etwas speziellere Richtung gehen wie die vorhin erwähnten fugenlosen Bäder. Also ohne Fließen, und nur mit Spachtelmasse und Versiegelung. Dabei lässt sich mit Farben arbeiten und sogar Tapeten kleben. Badezimmer werden so zu richtigen Wohnräumen und sind nicht nur ein Nutzraum.
Was sollte eine gute Qualitätsfarbe unbedingt haben, damit sie lange hält und gut aussieht?
Bei Qualitätsfarben für innen sind Deckfähigkeit und Nassabriebbeständigkeit entscheidend. Die Deckfähigkeit wird mit Deckkraftklassen von 1 bis 4 bewertet, wobei 1 die höchste Qualität hat. Wir Profis verwenden in der Regel Farben mit Deckraftklasse 1 oder 2. Im Baumarkt gibt es Farben in allen Qualitäten zu kaufen. Wie beständig eine Farbe bei Nassabrieb sein sollte, hängt davon ab, was die Wand aushalten muss. In Räumen mit Kindern, Haustieren oder in der Küche setzt man am besten auf Farben, die wasch- und scheuerbeständig sind. Der Glanzgrad spielt auch eine Rolle: Je höher er ist, desto robuster ist die Farbe. Matte Farben sind dagegen empfindlicher.
Was möchtest du in Zukunft noch erreichen oder ausprobieren?
In Zukunft will ich mich noch mehr damit beschäftigen, wie uns verschiedene Materialien und Farben im Raum beeinflussen – nicht nur ökologisch, sondern auch, wie wir uns darin fühlen. Dabei interessiert mich besonders, wie wir Schadstoffe reduzieren und das Raumklima verbessern können. Gleichzeitig will ich meine kreativen Ideen weiterentwickeln und dazu ermutigen, bei der Gestaltung mehr Farben einzusetzen. Es geht mir darum, Räume zu schaffen, in denen sich Menschen rundum wohlfühlen.