Eine Frage der Kultur
Farben sind weit mehr als ein Mittel, um unsere Welt bunter zu machen. Sie geben uns Signale, rufen Erinnerungen wach und Assoziationen hervor. Mit Blau zum Beispiel verbinden wir den Himmel, das Wasser und das Meer, mit Gelb die Sonne. Auch wenn wir über Gefühle sprechen, behelfen wir uns mit der symbolischen Kraft der Farben: Wir werden gelb vor Neid, rot vor Wut, sehen in ausweglosen Situationen schwarz oder ärgern uns grün und blau.
Doch je nach kulturellem Hintergrund kann sich diese Symbolik unterscheiden. Durch Bräuche, Riten und Traditionen, aber auch durch Klima und Landschaft haben sich kollektive Wahrnehmungsmuster gebildet, die uns bis heute prägen – aber auch im Wandel begriffen sind.
Von Wald und Wüste, Kälte und Hitze
Satte Wiesen, dichte Wälder – Mittel- und Nordeuropa sind durchzogen von grüner Natur. Anders sieht es in Wüstenländern aus: Dort sind es vereinzelte kleine Oasen, in denen Pflanzen gedeihen können und die das Überleben von Mensch und Tier sichern. Als entsprechend wertvoll gelten diese Inseln und mit ihnen die Farbe Grün. Sie findet sich nicht nur in den Nationalflaggen arabischer Staaten wieder, auch in der Religion wird ihr eine große Bedeutung beigemessen und sie wird oft sogar als „Farbe des Propheten“ oder als „Farbe des Islam“ bezeichnet.
Nicht nur unser kultureller Hintergrund hat Einfluss darauf, wie wir Farben wahrnehmen. Auch unsere individuellen Erfahrungen prägen unser Bild einer Farbe.
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Fruchtbarer Boden sorgt auch für ein positives Image der Farbe Schwarz – zumindest in Teilen Afrikas. Während in der westlichen Kultur Schwarz hauptsächlich negativ konnotiert ist und für den Tod steht, gilt Schwarz für viele afrikanische Völker als die schönste Farbe. Der Grund dafür ist die schwarze Erde, die meist am fruchtbarsten ist.
Die kulturelle Wahrnehmung der Farbe Rot wird ebenfalls durch das Klima geprägt. So wird Rot in Wüstenländern mit Gluthitze gleichgesetzt und bekommt einen unangenehmen, negativen Aspekt. In kalten Ländern des Nordens, in denen die Menschen sich nach Wärme sehnen, werden Rottöne hingegen als angenehm wahrgenommen.
Farbsymbolik im Wandel der Zeit
Der symbolische Gehalt von Farben ist allerdings nicht festgeschrieben. Verändern sich zum Beispiel im Laufe der Zeit kulturelle Werte, hat dies auch Einfluss auf die Farbsymbolik und darauf, welche Farben in der kollektiven Wahrnehmung dominieren.
Gelb kennen wir als religiöse Farbe vor allem in Asien. Hier kleiden sich Mönche in gelbe Gewänder, in China wird Gelb mit Toleranz und Weisheit verbunden. Doch auch in Nordeuropa spielte die Farbe einst eine wichtige Rolle, denn sie wurde der germanischen Göttin Freya zugesprochen. Im Zuge der Christianisierung mutierte Gelb zur Schandfarbe. Auch wenn wir Gelb im Allgemeinen mit Sonne und Wärme verbinden und als positiv empfinden, schlägt sich das negative Image in noch so manchen Assoziationen nieder; so steht die Farbe Gelb zum Beispiel in Frankreich für Krankheit.
Farben machen Politik
Die Wahrnehmung von Farben ist oft auch politisch aufgeladen. Im Mittelalter zeigte die Farbe der Kleidung die Zugehörigkeit zu bestimmten Ständen. Sie verdeutlichte so den Platz in der Gesellschaft und konnte ein Symbol für Macht und Herrschaft sein. Die Farbe Rot zum Beispiel durfte nur von Adeligen getragen werden, den Untertanen war dies verboten. Als sich im 16. Jahrhundert die Bauern im Krieg gegen den Adel erhoben, war eine der Forderungen das Recht auf das Tragen eines roten Mantels. Im 19. Jahrhundert wandelte sich Rot zum Symbol für Revolution und Aufruhr, als die rote Fahne in ganz Europa zum zentralen Symbol sozialer Aufstände wurde.
Der englische König Richard I. verfügte im Jahr 1197 per Gesetz, dass sich einfache Leute grau kleiden mussten.
Von der Kultur zum Individuum
Die Kultur, in der wir aufwachsen, hat also einen erheblichen Einfluss auf unsere Farbwahrnehmung. Ob wir aber bei Rot zuallererst an Lippenstift oder an ein Stoppschild denken, ist dann doch eine ganz persönliche Sache.